Chororgel im Dom geht endlich an den Start

Seit 20 Jahren ersehnt, nun tatsächlich finanziert, gebaut und installiert: Die neue Chororgel im Dom wird am Freitag, 1. Dezember, festlich mit einem Konzert eingeweiht – gerade rechtzeitig, um dem Advents- und Weihnachtsprogramm im Dom musikalische Sahnehäubchen aufzusetzen.

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Sie freuen sich auf die Orgelweihe: (von links) Braunschweigs Domorganist Witold Dulski, Dompredigerin Cornelia Götz, Domkantorin Elke Lindemann, Kantor Robin Hlinka und Martina Krug, Vorsitzende des Orgelbauvereins, vor der neuen Zwillingsorgel.   (Foto: Bernward Comes / FMN)

800.000 Euro teuer ist das Zwillings-Instrument bislang, das sich wie zwei mächtige Engelsflügel im Hohen Chor aufschwingt. „Alles finanziert über Spendengelder“, betont Dompredigerin Cornelia Götz. „Da steckt kein Cent Kirchensteuer drin.“

Sie kann den eigens gegründeten Orgelbauverein unter Vorsitz von Martina Krug nicht oft genug loben: „Diese Ehrenamtlichen sind die wahren Helden dieses Projekts. Ohne sie würde es dieses Instrument nicht geben.“

Ein Jahrhundertprojekt: aufwendig, kostspielig und nicht unumstritten. Es gibt Stimmen, die halten eine zusätzliche Orgel für die Chöre für verzichtbar, meinen, dass die große alte Schuke-Orgel – eingebaut in 1962 – ausreicht. Manche finden das neue Instrument in seinen Ausmaßen zu wuchtig, zu raumgreifend. Einige schimpfen bereits, die Orgel sei eine Verschandelung des Doms. Sie verdecke die wertvollen mittelalterlichen Wandmalereien aus den Zeiten Heinrichs des Löwen. Kritik gibt es auch an der intensiven roten Farbgebung des Sockels für die Orgelpfeifen.

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Detailstudie aus dem Innenleben der neuen Orgel.   (Foto: Lothar D. Zickermann)

Andere wiederum schwärmen von der Schönheit des Instruments und wie wunderbar es sich einfüge in die Architektur des Gotteshauses. Domorganist Witold Dulski ist begeistert vom sanften Klang und der technischen Raffinesse. „Vom Spieltisch der neuen Chororgel kann sogar die Schuke-Orgel bespielt werden.“ Auch er sieht neue Perspektiven für die Kirchenmusik.

Domkantorin Elke Lindemann findet es gut, dass sich die Menschen so intensiv mit der Wirkung der Orgel auseinandersetzen: „Das zeigt doch, wie wichtig ihnen der Dom ist. Wenn bei solch einem bedeutenden Projekt eifrig gestritten wird, ist das ein Zeichen, dass es die Leute interessiert.“ Sie ist überzeugt, dass sich viele Kritiker schnell an die neue Optik gewöhnen werden.

Dompredigerin Götz weist darauf hin, dass der bald 800 Jahre alte Dom im Laufe der Zeit stets neu und anders möbliert worden sei. „Kommende Generationen sollen sehen, dass wir daran geglaubt haben, dass auch sie hier noch Musik machen werden.“

Sie räumt ein, dass sie zunächst ebenfalls skeptisch gewesen sei, ob die neue Orgel ins Gesamtkonzept des Domes passe. „Nun aber sehe ich, wie wunderbar stimmig das alles ist.“

Bald werde auch das Lichtkonzept des Doms auf die neuen Gegebenheiten ausgerichtet, kündigt die Dompredigerin an. Dann passe sich sicher auch der creme-weiße mobile Spieltisch seiner Sandsteinumgebung besser an. Er kann rechts vom Hohen Chor auf einer eigens installierten Glaskonstruktion „geparkt“ werden.

In der Braunschweiger Domsingschule musizieren wöchentlich mehr als 600 Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Gottesdiensten und Konzerten. Die Kirchenmusiker am Dom wünschten sich ein Instrument, das besonders die Chöre im Hohen Chor begleitet, da sich die bisherige Hauptorgel in 42 Meter Entfernung im Westwerk des Domes befindet und daher aus schalltechnischen Gründen nicht zur Begleitung von Chören geeignet ist. Bislang hatten sich die Musiker mit einer kleinen mobilen Truhen-Orgel beholfen. Eine kleine finanzielle Hürde ist noch zu nehmen. Es fehlen Spendengelder für sieben ausstehende Register der Zwillingsorgel und die Mittel für die üblichen Teuerungen im Laufe eines solchen Projekts.

Charmant: Auch Kinder der Domsingschule wollen ihren Beitrag leisten, haben aus der Not eine Tugend gemacht und verdorbene Notenblätter, die der großen Überschwemmung im Juni zum Opfer gefallen waren, mühselig getrocknet und daraus Weihnachtssterne und Engel gebastelt. Die werden während des Weihnachtsmarktes im Dom zu haben sein.

Für das Projekt gekämpft hat stets auch der ehemalige Domkantor Gerd-Peter Münden. Wie ausführlich berichtet, ist der Kirchenmusiker inzwischen wegen eines eskalierten Leihmutterschafts-Streits und gerichtlicher Auseinandersetzungen nicht mehr am Dom beschäftigt. Er ist jedoch wegen seines großen Engagements für die Orgel zur Weihe eingeladen.

Ab Freitag wird im Dom ein Buch über das Orgelbauprojekt zu haben sein: eine Dokumentation des Orgelbauvereins. Darin wird unter anderem Orgelbauarchitekt Lothar Zickermann Ideen, Pläne und Konzepte zur Entwicklung und Gestaltung der neuen Chororgel erläutern sowie britische Vorbilder vorstellen und mit Orgelbauer Tilmann Späth auch eine klanglich-technische Beschreibung des neuen Instruments bieten. Das Buch kann auch beim Orgelbauverein bestellt werden über E-Mail info@orgel-braunschweigerdom.de oder bezogen werden über den Buchhandel. Kosten: 15 Euro.

Martina Krug: „Die Chororgel ist ein Geschenk an die Musizierenden und Hörenden in der Gegenwart und der Zukunft. Mögen nachfolgende Generationen Kraft und Mut daraus schöpfen, Kirche und Musik nach ihren Bedürfnissen zu gestalten, wie wir es heute tun.“

Orgelbaumeister Tilmann Späth (Freiburg): „Die neue Chororgel ist ein ganz besonderes Instrument in unserer 161-jährigen Firmengeschichte. Die nun realisierte Version ist in vielerlei Hinsicht ein absolutes Novum. Besonderheiten sind beispielsweise die zweiteilige und um 25 Grad gedrehte Aufstellung im Raum, das englische Klangkonzept, ideal für die Chorbegleitung, und die moderne Prospektgestaltung. Es ist uns eine große Freude, diese Orgel verwirklicht zu haben.“

Orgeldesigner Lothar D. Zickermann (Burgdorf): „Die glänzenden Prospektpfeifen in der Frontseite der neuen Chororgel symbolisieren zwei Engelsflügel. So mögen denn die Herzen der Menschen voller Freude auf diesen Schwingen und begleitet von himmlischer Musik zur Verherrlichung des dreieinigen Gottes emporgehoben werden.“

Eine Bildergalerie zur Orgel finden Sie unter www.braunschweiger-zeitung.de.

Online-Artikel der Braunschweiger Zeitung von Ann Claire Richter am 27.11.2023. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages.

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