Geburtstagsandacht
Vor einem Jahr – genau um diese Zeit - konnte man am Dom Musiker antreffen, die so erschöpft und glücklich waren wie frischgebackene Eltern auf der Entbindungsstation.
Sie hatten eine schwere Geburt hinter sich, denn die Chororgel, deren Geburtstermin sicher erst gar nicht berechnen ließ und der dann auf den Freitag vor dem ersten Advent fiel, machte alle Anstalten mit Nabelschnur um den Hals, blau und nach Atem ringend, auf den Plan zu treten.
Bis in tiefe Nachtstunden hinein musste gezittert und gezagt, gehofft und geschnauft werden, bis wir hier dann endlich – nach einer wirklichen Mammutschwangerschaft und großem Ballett – komplett waren.
Seither erleben wir, wie das ist, wenn ein Wesen seine Persönlichkeit entfaltet, uns immer wieder bezaubert und manchmal mit seiner Bockigkeit an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringt, wir erleben begeisterte Patinnen und Paten und immer wieder kommen Menschen und machen ein Geschenk – zuletzt die Glocken, die sich nach diesem Mittagsgebet am Spieltisch gern zeigen lassen können.
Natürlich begegnen wir auch dann und wann hochgezogenen Augenbrauen: ihr habt doch wahrlich schon genug Schätzchen – da braucht ihr das doch nicht auch noch… - und wie das aussieht, nach wem kommt es denn?
Aber allermeist staunen Menschen.
Was für ein herrliches Instrument!
Wie wunderbar, dass Menschen ihre Talente und Begabungen, ihre Zeit und nicht zuletzt sehr viel Geld zusammengetragen haben, um noch schönere Musik machen zu können.
Zur Ehre Gottes – um von seiner Herrlichkeit zu erzählen - als wollte man ganz heimlich mitspielen, wenn die himmlischen Heerscharen musizieren,
und auch: um Menschenherzen zu erfreuen und Menschenseelen hell und leicht werden zu lassen, um Tränen zu begleiten und dem, was wir hier unbedingt gesagt werden soll, Nachdruck zu verleihen.
Heute feiern wir Geburtstag.
Dankbar darüber, was möglich ist, wenn Menschen guten Willens sind.
Hoffnungsvoll, dass diese Orgel weiter davon erzählt, dass wir unserm Gott ein großes zärtliches überbordend schönes Lied singen wollen – weil wir leben dürfen, hier und jetzt.
Dompredigerin Cornelia Götz